Dieses und welches

Nein, ich kann nicht länger schweigen. Tut mir leid, aber mein Lektorinnenhirn schreit jedes Mal gequält auf, wenn ich solche Dinge lesen muss:

„Für einen sportlichen Look bietet sich ein Bustier an. Dieses besteht typischerweise aus softem Baumwollmaterial …“

Warum nur, warum?

Viele Texter und vor allem jene in der öffentlichen Verwaltung schaffende halten es anscheinend für geboten, sich so kompliziert wie möglich auszudrücken – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Sie glauben, das sei gehobenes Deutsch, aber das ist es nicht. Es ist nur anstrengend. Warum?

Weil wir Normalsterbliche nicht so reden!

Haben Sie jemals zu Ihren Gästen gesagt: „Probiert mal meinen Kirschkuchen. Diesen habe ich nach dem Rezept meiner Großmutter gebacken.“? Nein, haben Sie sicher nicht, oder?

Deshalb stolpert unser Gehirn automatisch an der Stelle, an der wir auf ein unerwartetes „dieses“ treffen. Es stört einfach den Lesefluss. Noch ein paar Beispiele?

  • „Willst Du Deinem Gartenboden etwas Gutes tun, bietet es sich an, diesen mit einer Fräse zu bearbeiten.“
  • „Gieße den Zitronensaft in eine Schale und fülle diese mit Wasser.“
  • „Im Mittelpunkt stehen dabei Materialien von hoher Qualität. Diese verleihen den Kleidungsstücken ihre außergewöhnliche Ausstrahlung.“

Ist es Ihnen aufgefallen? Dabei bietet die deutsche Sprache doch unzählige Möglichkeiten, sich elegant auszudrücken. Wir haben

  • bestimmte Artikel (der, die, das …)
  • unbestimmte Artikel (ein, eine, einer …)
  • Personalpronomen (er, sie, es, ihm, ihr …)
  • Possessivpronomen (mein, dein, sein …)

Stattdessen bevorzugen viele Autoren die Demonstrativpronomen. Ja, so heißen die Dinger im Fachjargon – Pronomen, die zur Unterscheidung zweier Dinge oder zum Herausheben von etwas Bestimmten dienen:

„Ich möchte diese Hose anziehen, denn die andere passt nicht zu meinem Shirt.“

Da ist es richtig. Da gehört es hin. Also greifen wir mal zum Rotstift und korrigieren:

  • „Für einen sportlichen Look bietet sich ein Bustier an. Dieses Es besteht typischerweise aus softem Baumwollmaterial …“
  • „Willst Du Deinem Gartenboden etwas Gutes tun, bietet es sich an, diesen ihn mit einer Fräse zu bearbeiten.“
  • „Gieße den Zitronensaft in eine Schale und fülle diese sie mit Wasser.“
  • „Im Mittelpunkt stehen dabei Materialien von hoher Qualität. Diese Sie verleihen den Kleidungsstücken ihre außergewöhnliche Ausstrahlung.“

Sehen wir uns nun noch den Zwilling des Demonstrativpronomens an, nämlich „welches“ und seine bucklige Verwandtschaft.

  • „Gern zeigen wir dir auch die gebrauchten Exemplare, mit welchen du viel Geld sparen kannst.“
  • „Neben dem Einstiegsmodell gibt es die Ausführung XY, welche vor allem einen hohen Fahrkomfort bietet.“
  • „Hier kannst du die Anhängerkupplung oder ein Panorama-Dach ordern, welches für mehr Helligkeit und frische Luft im Innenraum sorgt.“
  • „Natürlich dürfen auch beim Modell Z die cleveren Lösungen nicht fehlen, für welche der Autobauer bekannt ist.“

Na klar, und zwar so was von: Wer „dieses“ schreibt, muss nämlich auch „welches“ schreiben. Das scheint ein Automatismus zu sein, eine Art Naturgesetz.

Nein! „Welche“ ist ein Fragewort. So hieß das damals in der Grundschule. Die Germanisten nennen es Interrogativpronomen. Es dient ausschließlich zur Unterscheidung zweier Dinge:

„Welche Hose möchtest du anziehen, die schwarze oder die blaue?“

Alles andere ist schlicht und einfach Unsinn. Wenn Sie also ein neues Auto kaufen möchten, dann:

  • zeigen wir Ihnen auch gern die gebrauchten Exemplare, mit welchen denen Sie viel Geld sparen können.
  • sehen Sie sich die Ausführung XY an, welche die vor allem einen hohen Fahrkomfort bietet.“
  • Vielleicht möchten Sie ein Panorama-Dach ordern, welches das für mehr Helligkeit und frische Luft im Innenraum sorgt.“
  • Im Übrigen bietet auch Modell Z die cleveren Lösungen, für welche die der Autobauer bekannt ist.“

Das war’s für heute mit der Klugschwätzerei. Ich hoffe, Sie hatten ein wenig Spaß dabei und schalten auch nächstes Mal … ähm … klicken auch die nächste Folge zum Thema „wirklich gutes Deutsch“ wieder an.

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