Aktuell bearbeite ich von der KI generierte Texte für einen großen Online-Händler. Das heißt im Klartext: Die Maschine schreibt irgendeinen Quatsch zu irgendeinem Thema und ich soll dann einen einigermaßen lesbaren Text daraus basteln. Das Projekt bringt ganz gutes Geld und so setzte ich mich morgens voller Elan an meinen Schreibtisch, um eine stattliche Anzahl dieser Aufträge wegzuschaufeln.
Bis zum Mittag war ich noch recht guter Dinge. Bis dahin hatte ich es nur mit Damenoberbekleidung zu tun und stieß dabei auf recht unscheinbare Stilblüten und Schlingpflanzen wie diese:
„Für welche Anlässe möchtest du das Tanktop tragen?“
Hier musste ich nur das „Für“ durch ein „Zu“ ersetzen und „welche Anlässe“ ins Plural setzen, damit eine halbwegs vernünftige Frage daraus wurde. An der nächsten Stelle lauerte dann schon eine schärfere Falle:
„Entdecke die Vielseitigkeit von Tanktops und mache sie zu deinem neuen Alltagsbegleiter!“
Subjekt, Prädikat, Objekt, lautet die Grundregel im deutschen Satzbau. Okay, mal sehen … Prädikate haben wir gleich zwei in diesem Gebilde, nämlich „entdecken“ und „machen“. Die Objekte sind die Tanktops und der Alltagsbegleiter. Somit muss „die Vielseitigkeit“ den Job des Subjekts übernehmen. Die Kernaussage dieses Satzes wäre demnach: „Mache die Vielseitigkeit zu deinem neuen Alltagsbegleiter.“
Na schön, darüber konnte ich noch müde lächeln. Dann aber stieß ich auf diesen seltsamen Ratschlag hinsichtlich passender Unterwäsche:
„Überlege dir, welche Farben am besten zu deiner Garderobe passen. Wenn du viel schwarze oder dunkle Kleidung trägst, könnten helle Farben durchscheinen.“
Klar, wir kennen doch alle das Problem, wenn unser weißer Slip plötzlich durch die schwarze Jeans durchscheint oder der weiße BH durch das dunkelblaue Sweatshirt. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.
Nach kurzer Überlegung kürte ich dann dieses Konstrukt zum Sieger in meinem Best-of-Schwachsinn:
„Mach den Schritt und erlebe den Unterschied, den nahtlose Unterwäsche machen kann. Dein Wäscheschrank – und du selbst – werden es dir danken!“
Ich drehte mich um zu meinem Wäscheschrank und fragte: „Was sagst du denn dazu? Sollte ich den Schritt machen?“
„Mir doch egal“, antwortete er gelangweilt und knarrte herzhaft. Logisch: Es heißt der Wäscheschrank. Er ist ein Mann. Was will frau da anderes erwarten?
Da ich keine nahtlose Unterwäsche besitze, konnte ich mir selbst leider nicht danken und begab mich insofern in die Mittagspause.
Nach der Pause ging es weiter mit Kleidung für Babys und Kleinkinder. Nun wurde es langsam mühsam und vor allem zuckersüß und klebrig.
„Träumst du davon, deinem kleinen Mädchen eine Freude zu bereiten? Lass deine Tochter in einer unserer hübschen Hosen strahlen und erlebe den Spaß am modischen Dressing.“
Gott, warum müssen die immer dermaßen übertreiben, wenn es um kleine Mädchen geht? Ich habe eine Tochter, aber ich habe nie davon geträumt, ihr ausgerechnet mit einer neuen Hose eine Freude zu bereiten – jedenfalls nicht in dem Alter, das mit dem Begriff „Kleinkind“ umrissen wird. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass sie vor dreißig Jahren jemals in ihrem Buggy hockte und vor Begeisterung strahlte, weil sie diese hübsche neue Hose tragen durfte. Wenn überhaupt, interessierte sie sich maximal zwei Minuten für die neue Klamotte. Dann folgte die Frage: „Krieg ich ein Eis?“
Und überhaupt: Was soll eigentlich das Wort „Dressing“ in diesem Zusammenhang und dann auch noch modisch? Dressing gehört über den Salat.
„Das Sweatshirt ist in verschiedenen Größen erhältlich und passt sich so dem Wachstum deines Mädchens an.“
Nun begann es langsam in mir zu köcheln. Da war er wieder, dieser Unsinn, denn ich gefühlte hundert Mal pro Tag zu lesen bekomme. Es gehen seltsame Dinge vor im Autorenland. Da gibt es Sofas, die sich an die Farbe der Tapete anpassen, oder Teppiche, die sich nahtlos in jedes Ambiente einfügen, und offensichtlich auch Sweatshirts, die heimlich wachsen, wenn ihre Besitzerin wächst. Zum Glück wurde es dann wieder lustiger.
„Verleih deinem Kleinkind mit einem bunt bedruckten Sweatshirt eine fröhliche Note.“
Ja, eine gute Idee! Man nehme ein Kleinkind, stelle es im Kinderzimmer auf und verleihe ihm mit einem bunt bedruckten Sweatshirt eine fröhliche Note. Dann geht es uns allen gleich wieder besser.
Bis dahin war ich noch einigermaßen motiviert, heute noch mindestens vier bis fünf dieser Textmonster totzuschlagen, aber dann kam das Thema „Babypflegeprodukte als Geschenk“ aufs Tapet. Die KI machte den Vorschlag, frischgebackene Eltern mit einer Art Babypflege-Präsentkorb zu überraschen, und verstieg sich dann zu folgender Aussage:
„Sie werden es dir danken, wenn sie sehen, wie behutsam ihr kleiner Schatz von deinem Geschenk umsorgt wird.
Vor meinem geistigen Auge erschien ein junges Paar, das mit einer Träne im Knopfloch vor einer Wiege stand und tief gerührt zusah, wie das Geschenk voller Hingabe ihr Baby umsorgte. Schnüff. In dem Moment fiel mir auf, dass sich meine Hirnzellen eine nach der anderen leise aus dem Staub machten. He, hiergeblieben! Wir sind noch nicht fertig!
„Ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht deines Kindes ist unbezahlbar, vor allem, wenn es darum geht, sie modisch einzukleiden.“
Falls jemand aus der geneigten Leserschaft irgendeinen und wenn auch nur marginalen Sinn in diesem Satz entdeckt, möge er mir eine Mail schreiben und mich aufklären. Vielleicht hat ja irgendwer eine Idee, was uns die Dichterin damit sagen wollte. Mir jedenfalls fiel nichts dazu ein außer einem fettgedruckten „Hä?!“. Also gab ich entnervt auf, drückte meinen Finger auf die Löschtaste, bis die Buchstabensuppe aufgewischt war, und läutete den Feierabend ein.
Vielleicht sind meine Hirnzellen morgen wieder da. Dann geht es weiter.